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Wirklich eine Männerdomäne?

Kleine Jungs wollen Lokführer werden – das ist auch heute noch oft so. Und immer noch sind Frauen bei der Eisenbahn in der Minderheit, denn viele denken, dass dies ein Männerberuf sei.

 Unser Autor Gordon Doyen ist nordbahn-Lokführer in Hamburg. Er schreibt für uns regelmäßig, wie es wirklich bei der Eisenbahn zugeht.

Hallo liebe nordbahn-Fahrgäste!
Ich möchte Ihnen vier der vielen Kolleginnen bei uns vorstellen, die dem Klischee trotzen. Hier sind ihre Geschichten!

Frauen fahren doch auch Autos.
In Hamburg-Altona, meiner Heimat-Dienststelle, treffe ich Chilan. Wenn sie mit ihrem Zug an den Bahnsteig rollt, schauen manche der Wartenden auf. So stellt man sich nicht unbedingt eine Lokführerin vor und das bekommt sie auch oft zu hören: „Meine Freunde und meine Familie wunderten sich gar nicht, als ich ihnen sagte, dass ich Züge fahren möchte. Schließlich fahre ich auch Motorrad. Aber Außenstehende sind oft verwundert, wenn ich ihnen erzähle, was ich beruflich mache, finden es aber doch cool“, so die Hamburgerin. Ihr Cousin, selbst Eisenbahner, brachte sie auf die Idee. Sie sei zwar fasziniert, aber doch zunächst ahnungslos gewesen und habe sich mit Videos über den Beruf schlau gemacht. Ihre männlichen Mit-Azubis fanden es toll, eine Frau im Kurs zu haben, erzählt sie mir, und auch bei der nordbahn sei sie sofort herzlich und völlig vorurteilsfrei aufgenommen worden: „Es gab nicht einen einzigen dummen Spruch.“ Chilan möchte etwas loswerden: „Viele denken, dass wir da vorne nur einen Hebel nach vorne legen und der Rest passiert von allein. Das stimmt nicht, der Job ist anspruchsvoll. Man hat viel Verantwortung. Aber man lernt alles! Frauen fahren doch auch Auto, also warum keine Züge? Lokführerin ist ein schöner Beruf!“

Meine Azubi-Kollegen hatten erst Vorbehalte.
Annes Dienststelle ist in Itzehoe und sie kennt sich auch auf den Strecken zwischen Büsum, Heide, Neumünster und Bad Oldesloe aus. Ich lernte sie schon vor zehn Jahren kennen, als die nordbahn gerade den Betrieb im Netz Mitte, also Hamburg/Itzehoe/Wrist, aufgenommen hatte. Damals mochte sie nicht mehr in ihrem Beruf als Erzieherin arbeiten und jobbte übergangsweise als Zugreinigerin für uns. Die Technik, berichtet sie, habe sie damals fasziniert und man habe sie ermuntert, die Ausbildung zur Lokführerin anzugehen. Das habe ihr Umfeld zwiespältig aufgenommen: „Mein Mann stand sofort hinter mir und hat mich während der Ausbildungszeit bestärkt, während meine Familie doch eher skeptisch war. Heute aber sind sie stolz auf mich“, lacht Anne. Anders als Chilan bekam sie aber zunächst auch von ihren Azubi-Kollegen Vorbehalte zu spüren – ob sie als Frau das könne? „Ich habe es ihnen mit Willensstärke und Fleiß gezeigt und auch die Ausbilder auf meine Seite geholt. Heute habe ich so nette Kolleginnen und Kollegen. Es war die beste Entscheidung, zur nordbahn zu gehen!“ Ihr Tipp für Frauen, die zweifeln? „Zieht euer Ding durch, glaubt an euch selbst. Lasst euch auf keinen Fall entmutigen, denn am Ende habt ihr einen tollen Arbeitsplatz!“


Anne, Lokführerin

Eisenbahn ist nicht nur was für Männer.
Ich fahre nach Kiel, von wo aus unser neues Netz Nord (Flensburg/Kiel/Rendsburg/Husum/St. Peter-Ording) verwaltet wird. Dort lerne ich Lara kennen. Sie arbeitet als Disponentin bei der nordbahn, leitet den Zugverkehr im Netz Nord, disponiert Fahrzeuge und sorgt dafür, dass Störungen schnell behoben werden können. Auch sie wurde durch einen Bekannten an die Bahn herangeführt, arbeitete zunächst als Zugbegleiterin. „Mein Umfeld zweifelte, ob das die richtige Entscheidung sei, das sei doch nichts für Frauen“, berichtet Lara. Ich frage sie: Du bist als junge weibliche Disponentin „alten Hasen“ gegenüber weisungsbefugt. Gab das Konflikte? „Ja“, erzählt sie, „zu Anfang schon, aber wirklich nur zwei, drei Mal. Ich habe eine offene Art, zeige Verständnis, wenn Kollegen mal schlecht gelaunt sind und habe, denke ich, beim Fahrpersonal einen ganz guten Stand.“ Die Welt der Eisenbahn, erzählt sie lächelnd, sei schon eine Welt für sich, aber eine lustige und herzliche. Kein Tag sei wie der andere und in der Leitstelle wisse man nie, was auf einen zukomme und das mache ihren Job als Disponentin so spannend. Lara: „Das Klischee, dass die Eisenbahn nur was für Männer ist, ist sowas von veraltet! Wir haben hier bei der nordbahn so viele Lokführerinnen, Zugbegleiterinnen, Disponentinnen, Frauen in so vielen Berufen! Traut euch, zu uns zu kommen!“


Lara, Disponentin

Mein Berufswunsch wurde zunächst belächelt.
Zurück in Hamburg. Als Praxisausbilder lerne ich meine neue Kollegin Andrea kennen. Sie hat mehr als doppelt so viele Jahre Berufserfahrung wie ich, ist aus einem anderen Unternehmen zu uns
gewechselt und ich darf sie auf unsere Züge schulen. Andrea hat noch andere Zeiten erlebt, berichtet sie: „Schon mit 16 wusste ich, dass ich Züge fahren will. Als ich das damals, Anfang der Neunzigerjahre, der Berufsberaterin sagte, lachte die mich aus – das habe sie ja noch nie von einem Mädchen gehört!“ Die Möglichkeit des Quereinstiegs gab es damals noch nicht und Andrea musste zunächst Elektrikerin lernen, um danach Lokführerin werden zu können. „Dennoch wurde mein Berufswunsch zunächst belächelt mit fadenscheinig wirkenden Begründungen wie 'Wir haben gar keine Umkleiden für Frauen'“. Und auch, so die gebürtige Berlinerin, wenn sich anfangs sogar ihre Berufsschullehrer über sie lustig gemacht hatten und erst mal Nacktbilder von den Spinden entfernt wurden, habe es doch auch schon damals viele Männer gegeben, die sich über den frischen Wind gefreut hatten. Andrea erzählt mir, dass sich die Situation in den letzten Jahren aber sehr deutlich geändert habe, berichtet von regelmäßigen Treffen von Lokführerinnen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland, an denen mehrere hundert Kolleginnen teilnähmen. Die Wahl-Hamburgerin bringt es auf den Punkt: „Trau dich! Du lernst das alles und du kannst es!“

Vier Kolleginnen, vier Geschichten. In einem aber sind sich alle einig: Dass die Eisenbahn eine Männerdomäne ist, ist Schnee von gestern. Und vielleicht antworten ja bald auch kleine Mädchen strahlend, wenn sie gefragt werden, was sie mal werden wollen: „Lokführerin!“ – oder sich für einen der vielen anderen Berufe bei der Bahn interessieren. Das wäre schön, oder?

Ihnen eine gute Fahrt!
Ihr Lokführer Gordon
 

Fotos: nordbahn, Miguel Bruna by Unsplash (Header)