Die Feuchttuchfalle
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Die Feuchttuchstörung

Gesperrte und zudem noch übel riechende Zugtoiletten sind leider auch bei der nordbahn ein bekanntes Ärgernis. Lässt sich das nicht mal in den Griff bekommen? Wir arbeiten daran, aber wir hätten da auch eine kleine Bitte, was die Mülltrennung im WC angeht.

WC-Störungen stinken allen
Streikende Zugtoiletten haben oft weitreichende und weitriechende Folgen: Zusätzlich zu wahren Notsituationen bei den Fahrgästen bringen verstopfte Anlagen oft auch unsere Fahrzeugwerkstatt in Bedrängnis. Denn im Vergleich zum WC-Worst-Case, der Demontage der WC-Anlage, ist ein Getriebewechsel fast ein Klacks. Die Standzeit eines Fahrzeuges mit WC-Störung beträgt dann leicht zwei volle Tage. So wird aus dem sanitären Störfall mitunter sogar ein bedeutender Störfaktor für den gesamten Betrieb.

Woran es liegt
Früher waren Zugtoiletten ziemlich wartungsarm: Die sogenannte Fallrohrtoilette entsorgte sich direkt auf die Gleise. Aufzufüllen waren nur Wassertank und Papier. Das strenge Verbot der Toilettennutzung während des Aufenthaltes im Bahnhof sowie gewisse Umweltprobleme führten jedoch zum langsamen Aussterben dieser Bauart.

Heute sind in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen geschlossene Toilettensysteme mit Tanks für Frischwasser sowie Grauwasser (Abwasser aus dem Waschbecken) und Schwarzwasser (das „andere“ Abwasser) im Einsatz. Die Tanks werden regelmäßig an bestimmten Serviceeinrichtungen entleert und mit Frischwasser versorgt. Bei unseren Diesel-Triebwagen (LINT) geschieht dies in der Regel täglich. Die großen E-Triebwagen (FLIRT) kommen spätestens alle vier Tage zur Ver- und Entsorgungsstation. Laufend werden aktuelle „Wasserstände“ durch Sensoren erfasst und überwacht. Dies stellt die planbare Seite der täglichen „Zug-WC-Logistik“ dar. Betrieb und Instandhaltung versuchen auch unter schwierigen Rahmenbedingungen, wie etwa bei Baustellen, wo Serviceeinrichtungen nicht erreicht werden können, die Zyklen stets einzuhalten und logistisch bedingte WC-Ausfälle zu vermeiden.

Sind WCs in bestimmten Fahrzeugen über einen längeren Zeitraum abgesperrt, liegt in der Regel ein anderes Problem vor: Verstopfung der Abwasserrohre oder des Abwassertanks. Während man so etwas zu Hause oft noch mit Pömpel gelöst bekommt, ist bei betroffenen Zugtoiletten meist auch mit einer leistungsstarken Absaugvorrichtung nichts mehr zu wollen.

„Grund sind die Unterschiede in Aufbau und Funktionsweise“, erklärt Sven Böttcher, Leiter Technik bei der nordbahn. „Im Gegensatz zu stationären WCs funktionieren unsere Anlagen mit Unterdruck. Dafür müssen die Rohrquerschnitte enger sein als zu Hause.“ So kommt es, dass manches, was das heimische WC-Rohr noch „durchgehen lässt“, im Zug zwangsläufig in irgendeiner Windung auf der Strecke bleibt. 

Immer wieder Feuchttücher
Letzte Konsequenz ist nicht selten die Bergung des Fremdkörpers durch fortschreitendes Auseinanderbauen des Rohr- und Tanksystems in unserer Werkstatt. Dieses an dieser Stelle lieber nicht weiter ausgeführte Procedere fördert eine überraschende Statistik zu Tage. „In 9 von 10 Fällen stellen sich Feuchttücher, die ins WC geworfen wurden, als Ursache der Verstopfung heraus.“ resümiert Böttcher den Befund.

Im entscheidenden Gegensatz zu Zellstoff, aus dem Toilettenpapier besteht, lösen sich die meisten Kunstfasern von Feuchttüchern nicht im Wasser auf. Schließlich wurden diese Tücher dafür erfunden, gerade in feuchter Umgebung sehr reißfest zu sein. Während einleuchtenderweise kaum jemand auf die Idee kommt, normale Hygieneartikel zu Hause oder im Zug ins WC zu werfen, ist ein Problembewusstsein bei Feuchttuchnutzern offenbar weit weniger verbreitet. Dabei bereiten Feuchttücher, die zu Hause im WC landen, ebenfalls erheblichen Mehraufwand – allerdings erst in den Klärwerken.

Das Problem kann nur von zwei Seiten gelöst werden
„Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass der Aufbau der Anlagen in unseren FLIRTS etwas toleranter auf Fremdkörper reagierten als die WCs der LINTS.“ berichtet Böttcher. „Deshalb haben wir die konstruktiven Engpässe dort schon so weit wie möglich entschärft. Dennoch haben unsere Fahrgäste und wir gerade im Netz Nord noch immer zu häufig mit WC-Störungen zu tun“. Sind wiederkehrende WC-Störungen somit eine hinzunehmende Plage für Fahrgäste und eine Sisyphusarbeit für die Werkstatt? 
Wir können uns mit der Situation nicht zufrieden geben und werden weiter auch nach technischen Lösung suchen. Angesichts der Beliebtheit von Hygiene- und Fechttüchern möchten wir dem Problem aber auch an der anderen Seite begegnen: nämlich beim Toilettengang. Weil unsere Piktogramme anscheinend nicht ausreichen, wollen wir künftig (auch auf besonderen Wunsch unseres Werkstattpersonals) noch etwas plakativer für diese Form der Mülltrennung werben. So soll möglichst jedem Nutzer bereits beim Betreten des WCs unübersehbar und klar werden: Feuchttücher gehören in den Mülleimer. Bitte weitersagen ;-)

1 Kommentar
Hans-Peter
#1 — vor 1966 Tagen
Ich fahre sehr häufig von Itzehoe nach Elmshorn und umgekehrt. Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass in der Bahn die Toiletten versperrt sind. Ich bin am letzten Wochenende sehr in Not gekommen, weil die Toilette gesperrt war. Keiner kann sich vorstellen, wie groß die Not ist, wenn man eine halbe Stunde bis zum Bahnhof auf ein WC warten muss und dann auch noch im Bahnhof das WC gesperrt ist. Es war so furchtbar und ich überlege, ob ich künftig noch mit der Bahn fahre. Es war so schrecklich, wie sich keiner vorstellen kann.