In Hollywood-Filmen rasen Züge führerlos in Sackbahnhöfe und auch sonst passieren effektvoll allerlei Katastrophen. In der Realität aber sorgen wir dafür, dass alle sicher ans Ziel kommen – ob auf der Schiene oder auf der Straße. Unser Lokführer Gordon Doyen, unterwegs zwischen Hamburg und Itzehoe/Wrist, erklärt Ihnen, wie wir das machen.
Hallo liebe nordbahn-Fahrgäste!
Es war so eine angenehme, pünktliche Fahrt. Bis jetzt. Denn nun hält der Zug auf freier Strecke an. Die Landschaft ist schön, aber eigentlich möchte man jetzt doch lieber zur Arbeit, Schule, in die Uni, zum Date oder in den Feierabend. Aber es nutzt nichts, denn: Der Bahnübergang ist gestört!
Verschiedene Störungsursachen
Sicherlich haben Sie das schon einmal unterwegs erlebt und fragen sich, was denn an solch einem Bahnübergang gestört sein kann? Nun, zumeist geht es um eine Störung in der Elektrik. Die Schranken an Bahnübergängen werden entweder automatisch gesenkt, wenn der sich nähernde Zug einen Kontakt überfährt, oder aber vom Fahrdienstleiter im nächsten Stellwerk auf Knopfdruck geschlossen. Sobald die Schranken unten sind und die Lichter für den Straßenverkehr rot leuchten, meldet der Bahnübergang diesen Zustand automatisch an das Stellwerk. Manchmal kommt es jedoch vor, dass ein Bahnübergang als gestört gemeldet wird. Dies kann einfach nur ein Fehler sein und die Schranken sind unten. Im schlimmsten Fall aber bedeutet es, dass sich die Schranken nicht gesenkt haben, keine Ampel rot leuchtet und weiterhin Autos, Fahrräder, Fußgänger und Lkw den Bahnübergang überqueren. Und stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn wir mit 160 km/h auf solch einen gestörten Bahnübergang zufahren würden! Wenn wir, die Lokführerinnen und Lokführer, diesen Bahnübergang als nicht gesichert erkennen würden, wäre es für eine Bremsung viel zu spät. Da unser Bremsweg in Abhängigkeit von der gefahrenen Geschwindigkeit mehrere hundert Meter betragen kann, würden wir für diesen Bahnübergang eine große Gefahr darstellen.
Auf Nummer sicher
Deswegen werden wir, sobald sich ein gestörter Bahnübergang in unserem Fahrweg befindet, umgehend gestoppt. Somit können wir den Zug rechtzeitig und sanft abbremsen und kommen weit vor der Gefahrenstelle sicher zum Stehen. Der für den betroffenen Streckenabschnitt zuständige Fahrdienstleiter kann das Signal nämlich nicht auf „Fahrt” stellen.
Aber wie geht es dann weiter? Der Fahrdienstleiter (es gibt selbstverständlich auch viele Kolleginnen in den Stellwerken, nur der Einfachheit halber bleibe ich bei der männlichen Form) wird uns über unser Zugfunksystem sofort anrufen und uns über den Sachverhalt informieren. Und dann kommt etwas, was Sie, wenn Sie dieser Serie regelmäßig folgen, schon kennen: Der Fahrdienstleiter diktiert uns telefonisch einen Befehl. Wir nehmen uns den Block mit den entsprechenden Vordrucken und notieren bzw. markieren: „Vordruck 1 von 1, Befehl für Triebfahrzeugführer Zug-Nummer 12345, Standort am Signal XY. Es gilt Befehl Nr. 8: Sie müssen halten vor Bahnübergang in Kilometer XY. Sie dürfen weiterfahren, wenn Bahnübergang gesichert ist.“ Dazu folgen noch Angaben zu den beteiligten Personen, das Datum, die Uhrzeit und ein Übermittlungscode. Um jedes Missverständnis auszuschließen, wiederholen wir den Wortlaut exakt und der Fahrdienstleiter bestätigt nochmals die Richtigkeit.
Der Schlüssel zur Problemlösung
Dann geht es weiter und wir rollen langsam an den betreffenden Bahnübergang heran. Dabei müssen wir genau die Kilometertafeln an der Strecke beachten, denn auf gar keinen Fall dürfen wir uns versehen und zu weit fahren. Unmittelbar vor dem Bahnübergang halten wir an, sichern den Zug gegen Wegrollen, greifen zu unserer Warnweste und gehen zur Außentür. Diese öffnen wir mit einem Schlüssel, so dass alle übrigen Türen im Zug nicht geöffnet werden können. Und dann wird es sportlich. Denn ohne Bahnsteig ist es vom Zug bis zum Schotterbett ganz schön tief. Direkt vor jedem Bahnübergang steht eine Art Schaltkasten. Mittels eines speziellen Schlüssels sorgen wir dafür, dass nun die Schranken gesenkt werden bzw. stellen sicher, dass sie sich nicht öffnen, bevor unser Zug den Überweg passiert hat. Wir überprüfen, ob auch die roten Lichter für den Straßenverkehr leuchten, steigen „sportlich” zurück in den Zug, nehmen wieder im Führerstand Platz und befahren dann sicher den Bahnübergang.
Gut investierte Zeit
Das zweifache Anhalten, das Notieren des Befehls und das „Schlüsseln“ des Bahnübergangs, wie wir es nennen, kostet viel Zeit – und wenn die Züge vor uns auch schon davon betroffen waren, kommt es auch schnell zum Stau auf den Gleisen. Das ist ärgerlich für Sie, die Sie Besseres zu tun haben als in der nordbahn auf die Weiterfahrt zu warten, aber auch für uns, die wir natürlich gerne pünktlich fahren wollen. Aber betrachten Sie es einmal von der anderen Seite. Stellen Sie sich vor, wie Sie als Verkehrsteilnehmer auf der Straße den Bahnübergang überqueren. Vielleicht haben Sie auch Ihre Kinder dabei. Ist es nicht entscheidend wichtig, sich zu 100 Prozent darauf verlassen zu können, dass kein Zug kommt?
Und genau DAS stellen wir bei der Eisenbahn sicher. Es kostet Zeit, aber alle, ob im Zug oder auf der Straße, kommen so sicher zur Arbeit, Schule, in die Uni, zum Date oder in den Feierabend. Und die Techniker der Deutschen Bahn, auf deren Gleisen wir fahren, sind schon auf dem Weg, um die Störung vor Ort zu beheben.
Ihnen eine gute und sichere Fahrt!
Ihr Lokführer
Gordon